DIE WELT – "Barack Obama Steuerpolitik ist armselig"

Der Star-Ökonom Glenn Hubbard berät Mitt Romney im US-Wahlkampf. Er setzt auf weniger Staat und mehr Wachstum, um Amerika aus der Krise zu führen.
Er diente US-Präsident Bush senior im Finanzministerium, er beriet Bush junior, nun will er als Wirtschaftsberater Mitt Romney ins Weiße Haus bringen, einen der aussichtsreichsten Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.
Barack Obamas Wirtschaftspolitik hält er für gescheitert. Mitt Romney dagegen würde als Präsident den Staatshaushalt sanieren und gleichzeitig Steuern senken, ist Hubbard überzeugt. Genauso sicher glaubt er an die Zukunft des Euro.

 



Welt am Sonntag: Herr Hubbard, Präsident Obama war 2009 als großer Hoffnungsträger gestartet. Nun sind selbst viele seiner Parteifreunde von ihm enttäuscht. Woran liegt das?

 

 



Glenn Hubbard: Obama hat jegliche Führung vermissen lassen. Wo war er, als es um den Streit um die Erhöhung der Budget-Obergrenze ging? Auf Reisen. Er hat die Entscheidung dem Kongress überlassen, und das war leider typisch für ihn. Wir Amerikaner erwarten Führungsstärke von unseren Präsidenten. Was Obama gezeigt hat, war Führungsschwäche.

Welt am Sonntag: Er hat allerdings auch ein katastrophales Erbe von seinem Vorgänger George W. Bush übernehmen müssen, der den Haushalt ruiniert hat.

 

 



Hubbard: Obama kann nichts für die Finanzkrise. Aber er ist letztendlich dafür verantwortlich, wie die Regierung auf die Krise reagiert hat. Statt den Haushalt zu sanieren, hat sie Unsummen für die Rettung bankrotter Unternehmen und die Ankurbelung der Wirtschaft ausgegeben. Das war leider rausgeschmissenes Geld. Obama hat so die Verschuldung auf einen traurigen historischen Rekord getrieben.

 

 



Welt am Sonntag: Ende 2008 gab es nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers eine Vertrauenskrise. Obama hat wie alle Staatschefs versucht, mit Konjunkturprogrammen gegenzusteuern. Hätte er zusehen sollen, wie die US-Wirtschaft den Bach runtergeht?

 

 



Hubbard: Er hätte einen langfristigen Sanierungsplan für den Haushalt vorlegen sollen. Das hätte Vertrauen geschaffen, und wir hätten uns die unselige Verschuldungsdebatte, die wir jetzt führen, erspart.

Welt am Sonntag: Was war falsch daran, einen Konzern wie GM zu retten? Der Autobauer hat gerade erst neue Rekordgewinne vorgelegt.

 

 



Hubbard: Wenn ein Unternehmen bankrott ist, hat es sich auf dem Markt nicht bewährt. Also muss man es in die Insolvenz schicken. Die Rettung von GM kostet den US-Steuerzahler bis heute Geld.

 

 



Welt am Sonntag: Die US-Wirtschaft hat sich zuletzt stabilisiert, die Arbeitslosigkeit ist deutlich gefallen, der Dow Jones ist diese Woche das erste Mal seit 2008 auf über 13.000 Punkte gestiegen. Zeigen die Reformen Obamas jetzt nicht doch ihre Wirkung?

 

 



Hubbard: Nein, der Aufschwung ist eine normale Gegenbewegung nach einem tiefen Abschwung. Obamas Politik hat damit nichts zu tun. Dass die Arbeitslosigkeit gefallen ist, liegt daran, dass viele Amerikaner aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, weil sie in Rente gehen. Obama hat im Gegenteil viel dafür getan, dass die Arbeitslosigkeit weiter so hoch ist.

 

 



Welt am Sonntag: Was zum Beispiel?

 

 



Hubbard: Er hat die Steuern erhöht und die Unternehmen nicht von ihren hohen Abgaben befreit. Das war Gift für das Innovationsklima in diesem Land. Die Unternehmen sind verunsichert, welche Belastungen noch auf sie zukommen werden. Obama Steuerpolitik ist armselig.

 

 



Welt am Sonntag: Aber diese Woche hat Obama doch erst Pläne für eine Senkung der Unternehmenssteuern vorgelegt.

 

 



Hubbard: Diese Pläne sind unausgegoren. Sie sehen zum Beispiel vor, die Steuern für multinationale Unternehmen zu erhöhen, genauso wie die Steuern für individuelle Einkünfte über 200.000 Dollar. Das trifft gerade viele kleine Unternehmen, die in diese Steuerklassen fallen.

 

 



Welt am Sonntag: Spitzenverdiener zahlen heute in den USA prozentual weniger Steuern als Durchschnittsverdiener. Obama will das ändern. Was ist so falsch daran?

 

 



Hubbard: Dieser Vergleich zwischen Spitzen- und Normalverdienern hinkt, denn was dabei immer übersehen wird: Viele Spitzenverdiener haben auf ihr zu versteuerndes Einkommen bereits 35 Prozent Unternehmenssteuer oder Kapitalsteuern gezahlt. Sie werden also doppelt zur Kasse geben.

 

 



Welt am Sonntag: Nach dieser Logik müssten Sie generell Mehrwertsteuern verbieten, weil sie Einkommen doppelt besteuern.

 

 



Hubbard: Doppelbesteuerung ist immer eine dumme Idee. Romneys Pläne sehen vor, die Doppelbesteuerung für Investitionen zurückzufahren.

 

 



Welt am Sonntag: Glauben Sie, dass Obama eine zweite erfolgreiche Amtszeit hinlegen kann, so wie es Bill Clinton in den 90er-Jahren geschafft hat?

 

 



Hubbard: Nein, überhaupt nicht. Ein Präsident, der so führungsschwach ist, kann kein starker Präsident mehr werden.

 

 



Welt am Sonntag: Welche Reformen sollte denn ein Präsident Romney zuerst angehen?

 

 



Hubbard: Er muss einen Plan für den Schuldenabbau vorlegen und das Steuersystem reformieren. Romney will in der Verfassung festschreiben, dass der Haushalt ausgeglichen sein muss. Er will die Bundesausgaben auf 20 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung begrenzen. Außerdem brauchen wir eine dramatische Absenkung der Unternehmenssteuern von 35 auf 25 Prozent, um die lahmgelegten Innovationskräfte in diesem Land wieder freizusetzen. Die Einkommensteuer muss ebenfalls sinken.

 

 



Welt am Sonntag: Romney will auch die Steuern für Reiche senken. Studien zeigen, dass die Lücke zwischen Arm und Reich in den USA immer größer wird. Würden solche Steuersenkungen das Problem nicht noch verschärfen?

 

 



Hubbard: Mich treibt die perspektivlose Lage vieler junger Amerikaner sehr um. Obama zahlt ihnen dafür Geld, dass sie nicht arbeiten. Wir sollten unsere Mittel besser dafür nutzen, junge Menschen gut auszubilden und – und das halte ich für ganz entscheidend – ihre Mobilität zu erhöhen.

 

 



Welt am Sonntag: Sie wollen die Steuern senken, den Haushalt sanieren und mehr Geld für Arbeitsmarktinstrumente ausgeben. Sitzen Sie auf einem Goldesel?

 

 



Hubbard: Ich habe nicht gesagt, dass ich mehr Geld für Arbeitsmarkthilfen ausgeben will. Wir müssen die vorhandenen Mittel nur effizienter einsetzen. Und die Steuersenkungen werden dafür sorgen, dass die Wirtschaft in Gang kommt und das Wachstum nicht ausgebremst wird, so wie es unter Obama der Fall ist.

 

 



Welt am Sonntag: Obama hat einmal das deutsche Wirtschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft als vorbildhaft gepriesen. Glauben Sie, dass die USA von der deutschen Wirtschaft etwas lernen können?

 

 



Hubbard: Wir können von vielen Ländern lernen, auch von Deutschland. Insbesondere die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist phänomenal.

 

 



Welt am Sonntag: Das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland ist nicht das beste. Viele deutsche Politiker sind genervt, weil die USA Lehrstunden in Sachen Europas Schuldenabbau erteilen wollen. Wie sollte ein Präsident Romney mit der Schuldenkrise umgehen?

 

 



Hubbard: Die Europäer haben völlig recht, angesichts unserer eigenen hohen Verschuldung sind wir ganz sicher nicht in der Position, Steine zu werfen. Aber Europa muss auch verstehen, dass die Schuldenkrise der Währungsunion ein globales Problem ist und Auswirkungen auf die US-Wirtschaft hat. Deshalb sollten sich Staaten auf der ganzen Welt Gedanken machen dürfen, wie Europa seine Probleme lösen kann.

 

 



Welt am Sonntag: Griechenland und Portugal setzen die von Ihnen geforderten Sparprogramme um – und kommen trotzdem auf keinen grünen Zweig. Sollten die Länder die Euro-Zone verlassen?

 

 



Hubbard: Das ist eine schwierige Frage. Ein Austritt hätte möglicherweise gravierende Folgen auf den Finanzmärkten, deshalb sollte man sich einen solchen Schritt vorher genau überlegen. Aber wenn es den Ländern nicht gelingt, wettbewerbsfähiger zu werden, ist ein Austritt unvermeidbar.

 

 



Welt am Sonntag: Bundeskanzlerin Angela Merkel muss für ihr Krisenmanagement viel Kritik einstecken. Sie handle zu spät und zu zaghaft, heißt es oft.

 

 



Hubbard: Ich halte den Kurs von Frau Merkel für richtig. Nur über strengere Schuldenregeln und durch eine bessere wirtschaftspolitische Koordinierung kann die Euro-Zone ein weiteres Auseinanderdriften noch verhindern. Was aber Deutschland und auch die anderen Euro-Länder unterschätzen, ist die große Bedeutung, die Wirtschaftswachstum hat. Ohne Wachstum haben die Schuldenländer einfach keine Chance, aus ihrer tiefen Krise zu kommen.

 

 



Welt am Sonntag: Das hört sich fast so an, als forderten Sie einen neuen Marshallplan.

 

 



Hubbard: Lesen Sie sich mal die damaligen Reden von George Marshall durch. In denen ging es immer darum, wie die Länder ihre Produktivität steigern können. Darum geht es. Der Marshallplan hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine Menge bewirkt, auch in Griechenland. Ich sage nicht, dass die EU nun genau so einen Plan auflegen sollte. Aber die Logik hinter dem Plan, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Innovationen zu erzeugen und so Wachstum zu schaffen, war richtig.

 

 



Welt am Sonntag: Was halten Sie von der Idee, den Internationalen Währungsfonds (IWF) unter Beteiligung der Vereinigten Staaten finanziell aufzustocken und Europa auf diesem Wege Hilfe zukommen zu lassen?

 

 



Hubbard: Die USA helfen der Euro-Zone bereits, indem sie innerhalb des IWF Hilfsprogramme für Euro-Länder erarbeiten. Auch die US-Notenbank unterstützt die Euro-Zone, indem sie der Europäischen Zentralbank Dollar zur Verfügung stellt, um so Währungsengpässe bei europäischen Unternehmen aufzufangen. Eine weitere finanzielle Hilfe der USA über den IWF halte ich im Moment nicht für notwendig.

 

 



Welt am Sonntag: Muss dann die EZB eine aktivere Rolle spielen, um die Finanzierung der Krisenländer sicherzustellen?

Hubbard: Die EZB ist ja bereits sehr aktiv und kauft Staatsanleihen überschuldeter Euro-Staaten auf. Ich habe die Befürchtung, dass viele Leute in Europa glauben, die Notenbank könne dadurch die Krise lösen. Das kann sie mit Sicherheit nicht.

 

 



Welt am Sonntag: Wird es den Euro in einem Jahr noch geben?

 

 



Hubbard: Definitiv.

 

 



Welt am Sonntag: Was macht Sie da so sicher?

 

 



Hubbard: Die deutsche Regierung vermittelt glaubhaft den Eindruck, dass sie bereit ist, alles zu tun, um den Euro zu retten. Sie weiß, dass die deutsche Wirtschaft stark vom Euro profitiert.

 

 



Welt am Sonntag: Vielleicht könnten Sie selbst Europa künftig konkrete Hilfe anbieten. Wären Sie bereit, in einer Regierung Romney den Posten des Finanzministers zu übernehmen?

 

 



Hubbard: Ich bin glücklich, dort wo ich bin. Aber ich glaube, dass Mitt Romney ein exzellenter Präsident wäre.

 

 



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